The Wire ist eine US-amerikanische Serie, die von 2002 bis 2008 auf HBO lief. In Deutschland wurde sie erst 2008 ausgestrahlt und dann nur auf dem Fox Channel. Nicht die beste Voraussetzung um ein breites Publikum zu erreichen. Allerdings ist The Wire eine perfekte Serie zum Binge Watching — hier erfahrt Ihr warum.
Sie handelt von Polizisten und dem Kampf gegen das Verbrechen. Das mag zwar nach einem uralten Konzept klingen, doch in dieser Form gab es weder davor, noch danach eine vergleichbare Serie: Es geht nicht einfach um Polizisten und ihren Alltag in der Verbrechensbekämpfung. Der Zuschauer von bekommt jede Seite zu sehen – denn jede Staffel wird vordergründig aus einer anderen Perspektive erzählt. Während der Fokus in einer Staffel auf den Polizisten liegt, so ist der Zuschauer in einer anderen Staffel beim Drogenverkauf auf der Straße dabei. Eines zieht sich jedoch durch jede Staffel: Wie der Titel bereits andeutet, wird immer ein Verdächtiger abgehört.
Zumal ein großer Schwerpunkt der Serie auf der Charakter-Entwicklung der Figuren liegt. In den insgesamt fünf Staffeln verfolgt der Zuschauer die Protagonisten und sieht ihnen bei der Entfaltung von Charakterstärken oder ‑schwächen zu. So ist es möglich, eine Figur zu Beginn der Serie zu lieben und gegen Ende zu verabscheuen oder umgekehrt. Diese fortwährende Dynamik ist einer der Gründe, sich die Serie unbedingt anzuschauen. Die restlichen Gründe, weshalb The Wire eine der sehenswertesten und besten Serien aller Zeiten ist, erfahrt Ihr im folgenden Teil.
Authentizität ist alles
The Wire ist keine auf Hochglanz polierte Serie – im Gegenteil, sie setzt alles auf Authentizität. Die Serie spielt in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland. Die Stadt zählt aufgrund ihrer hohen Kriminalitäts- rate zu den zehn gefährlichsten Städten Nordamerikas. Zudem bestehen knapp 65% der Bevölkerung aus Afro- Amerikanern. In dieser realen und nicht geschönten Kulisse spielt die Drama-Serie und setzt sich mit den Problemen der Stadt tiefgründig auseinander. Die ganze Polizei-Arbeit wird nicht eindimensional glorifiziert, sondern realistisch wiedergegeben: Die Cops sind keine Helden, sondern auch unter ihnen gibt es welche, die sich in der Grauzone zwischen Gut und Böse befinden. Der Realismus-Anspruch wird auch dadurch erhöht, dass die Polizisten nicht ständig in flache Actionszenen verwickelt sind, sondern vor allem auch bürokratische Probleme bewältigen müssen. Denn es gestaltet sich nicht immer so einfach, einen Verdächtigen abhören zu lassen. Der Zuschauer bekommt so zu sehen, wie die Polizei mit Staats-anwälten zusammen arbeitet, um die richterliche Genehmigung einer Abhörung (‚Wiretap‘) zu erhalten.
Das Porträt des polizeilichen Alltags ist ebenso authentisch wie bipolar: Auf Stereotype wird verzichtet, um eine vielschichtige Darstellung der Cop-Arbeit in Baltimore zu zeigen, bei der ab und an für die gute Sache Regeln gebrochen oder zumindest frei ausgelegt werden. Und dabei ist der Zuschauer so nah am Geschehen wie es nur möglich ist.
David Simon, Schöpfer der Serie, arbeitete zwölf Jahre lang als Polizei-Reporter bei der Baltimore Sun und hatte somit während seiner journalistischen Karriere vor allem mit Verbrechen in Baltimore zu tun – kaum verwunderlich also, dass Simon der kreative Kopf hinter einer derart authentischen Serie ist.
The Wire — Snoop
Außerdem erfrischt The Wire mit (zumindest damals noch) unbekannten Gesichtern. Ein Großteil der Darsteller kommt tatsächlich aus Baltimore, wodurch ihre Performance an Glaubwürdigkeit gewinnt. Zumal einige der Darsteller ihre Schauspielkarriere im Rahmen der Serie begannen und vor allem gecastet wurden, weil sie eben in Baltimore aufwuchsen und die gewünschte Authentizität vermitteln konnten.
Das wird an Felicia Pearson am deutlichsten, die in The Wire ein kaltblütiges Mitglied einer Drogen-Gang spielt: Sie (die reale Person) ist ein so genanntes ‚Crack Baby‘, das in Baltimore von Pflegeeltern aufgezogen wurde. Schon sehr früh kam sie mit Kriminalität in Kontakt und stieg bereits im Alter von 12 Jahren ins Drogen-Geschäft ein. Als sie 15 Jahre alt war erschoss sie ein anderes Mädchen. Pearson wurde zu acht Jahren Haft verurteilt, jedoch nach fünf Jahren wegen guter Führung entlassen – eine authentischere Darstellerin einer Drogenhändlerin und Mörderin gibt es wohl kaum! Ein weiterer Hinweis darauf, wie nah der Charakter an der Darstellerin ist, ist die Tatsache, dass sie in der Serie zwar vorwiegend „Snoop“ genannt wird, aber dort auch Felicia Pearson heißt. Demnach spielt sie im Grunde sich selbst.
Durch den hohen Realitäts-Anspruch ist The Wire eine Cop-Drama-Serie, die es schafft, ohne geballte Action à la Michael Bay, Spannung zu erzeugen. Der Zuschauer wird auch Teil der weniger glamourösen Seite des Jobs. Die tägliche Schreibtisch-Arbeit wird in gleichem Maße gezeigt wie die Schusswechsel oder im Allgemeinen die Auseinandersetzungen mit den Verbrechern. Durch die von Staffel zu Staffel veränderte Perspektive, kann der Zuschauer sich ein Bild aus jedem Blickwinkel machen und erkennen, dass sowohl die ‚Bösen‘ gute Seiten haben als auch anders herum.
Brutstätte für Stars
Jeder einzelne Darsteller von The Wire gab eine brillante Performance ab. An dieser Stelle sei erwähnt, dass unter anderem Jamie Hector („Max Payne“, „Blood Ties“) als Marlo Stanfield das grandiose Porträt eines skrupellosen und unbarmherzigen Gangsterbosses zeichnet. Seiner Karriere hat das Mitwirken bei The Wire sicherlich auch auf die Sprünge geholfen. Doch es gibt einige Schauspieler, die ihre Karriere mehr oder weniger bei der Cop-Drama-Serie begannen und inzwischen äußerst bekannt sind:
Idris Elba hat seit The Wire eine steile Karriere hingelegt. In der Serie verkörperte er den cleveren und fiesen Russell „Stringer“ Bell, der die rechte Hand eines Drogenbosses war. Seitdem hat er in Filmen wie „Rock N Rolla“, „Thor“ (Teil 1 und 2), „Ghostrider 2“, „Prometheus“, „Pacific Rim“ und “Avengers: Age of Ultron” mitgespielt. In der britische Krimiserie „Luther“ spielt er die Hauptrolle und wurde dafür 2012 mit dem Golden Globe ausgezeichnet. Außerdem porträtierte er die Legende Nelson Mandela in „Mandela – Der lange Weg zur Freiheit“, was ihm eine Golden Globe-Nominierung einbrachte.
Aidan Gillen mimt in der Cop-Serie den aufstrebenden Politiker Tommy Carcetti. Seit 2011 ist er ein festes Mitglied einer anderen erfolgreichen TV-Serie: In „Game of Thrones“ spielt Gillen den opportunistischen Bordell-Besitzer Lord Petyr „Littlefinger“ Baelish.
Dominic West war vor seiner Darstellung des brillanten, aber im Umgang schwierigen, Baltimore-Polizisten Jimmy McNulty vor allem im Theater zu sehen. Doch seit seines Engagements bei der Serie ergatterte er Rollen in Filmen wie „Chicago“, „Mona Lisas Lächeln“, „Die Vergessenen“ und „John Carter“. In der britischen TV-Serie „The Hour“ spielte er eine der Titelfiguren. Zudem ist er als diesmals moralisch fragwürdiger Schiftsteller in der Serie “The Affair” zu sehen.
Michael K. Williams spielt den legendären Part des Omar Little, der stets mit einer Shotgun bewaffnet die Straßen von West-Baltimore unsicher macht. Seither hat er in Filmen wie „Gesetz der Straße“, „Snitch“, „Robocop“ und dem Oscar-prämierten „12 Years a Slave“ mitgespielt. Ab 2010 hatte er außerdem eine feste Rolle in der HBO-Hitserie „Boardwalk Empire“.
Michael B. Jordan war noch ein halbes Kind als er in The Wire die Rolle des gutmütigen ‚Corner-Boys‘ Wallace spielte, doch das sollte seine Karriere in die Gänge bringen. Seitdem spielte er in zwei Staffeln „Friday Night Lights“ und in Filmen wie „Chronicle“ und „Für immer Single?“ mit. Und Jordan hat im Fantastic Four-Reboot die neue Fackel dargestellt. Außerdem hatte er sie Hauptrolle in “Creed — Rocky’s Legacy”, in dem übrigens auch The Wire-Kollege Wood Harris einen kleinen Auftritt hatte.
Lawrence Gilliard Jr., der den sanftmütigen Gangster D‘ Angelo Barksdale und Chad Coleman, der den Ex-Kriminellen und Box-Trainer Dennis „Cutty“ Wise in The Wire spielten, dürften allen Zombie-Fans bekannt sein: Coleman spielt seit 2012 Tyreese und Gilliard seit 2013 Bob in der AMC-Serie „The Walking Dead“.
The Wire in der Kritik
Es gibt tatsächlich nur positive Kritiken über The Wire. Das Cop-Drama wird noch immer als beste Serie aller Zeiten gehandelt, auch wenn sie inzwischen vielleicht mit „Breaking Bad“ den Thron teilen muss. Die Kritiker haben sich als die Serie im US-amerikanischen Fernsehen lief förmlich vor Lob überschlagen. The Wire wurde sogar als qualitativ besser als „Die Sopranos“ bezeichnet, die zu der Zeit ebenfalls lief und das größte Zugpferd von HBO war.
Allerdings kamen die guten Kritiken erst relativ verspätet. Die Serie wurde zu Beginn an nicht wirklich wahrgenommen. Das könnte daran gelegen haben, dass kurz zuvor die Krimiserie „The Shield“ anlief und einige Aufmerksamkeit auf sich zog und das gleiche Genre bedient. Außerdem erzielte The Wire keine überragenden Einschaltquoten. Schöpfer David Simon führt die niedrigen Einschaltquoten auf die Komplexität der Serie und des vielfach verwendeten Slang des hauptsächlich schwarzen Cast zurück. Zumal die ‚Polizisten-Sprache‘, mit ihren Abkürzungen für beinahe alles, auch gelernt sein will.
Doch als die Serie endlich entdeckt wurde, regnete es gute Rezensionen. Außerdem verriet Barack Obama einst der Las Vegas Sun, dass The Wire seine Lieblingsserie und Omar Little aufgrund seines faszinierenden Charakters seine Lieblingsfigur ist.
The Wire wird als fantastische Serie gehandelt, die mit Realismus und packenden Geschichten rund ums Verbrechen überzeugt. Ihre Komplexität, die verwobenen Charaktere und deren Entwicklung darf keine Ausrede sein, sich die Serie nicht anzuschauen.
Fazit
The Wire unterhält den Zuschauer mit einem zwar komplexen, aber abwechslungsreichen Plot, denn jede Staffel hat ein zentrales Thema: Die erste Staffel konzentriert sich auf die Sonder-Einheit, die versucht den Drogenring von Avon Barkesdale (Wood Harris) und seinem ‚Vize‘ Stringer Bell dingfest zu machen. Bei der zweiten Staffel steht vor allem der Hafen von Baltimore und der dort betriebene Schmuggel im Vordergrund. Die dritte Staffel beschäftigt sich mit einem Experiment der inoffiziellen und restriktiven Legalisierung von Drogen der Polizei. Die vierte Staffel verfolgt zum Einen das Schulwesen und zum Anderen den politischen Aufstieg von Councilman Tommy Carcetti. Die fünfte Staffel hat den Redaktions-Alltag der Baltimore Sun als zentrales Thema.
Trotz der wechselnden Haupthandlungsstränge laufen parallel, in vorherigen Staffeln angefangene Geschichten weiter. Es kommen stätig neue Charaktere hinzu, denen aber genügend Platz eingeräumt wird, um sich einer Entwicklung zu unterziehen. So gibt es auch Figuren wie den Junkie Reginald „Bubbles“ Cousins (Andre Royo), der den Zuschauer vom Beginn bis zum Ende der Serie begleitet und immer wieder mit seiner Geschichte fasziniert.
Die Detail-Verliebtheit der Serie ist ein weiterer Grund für eine Lobpreisung: Die ganze Machart zeigt dem Zuschauer, wie viel Mühe und Herzblut in der Serie stecken. Jede Episode beginnt nach dem Vorspann mit der Einblendung eines Schlüsselsatzes aus der Folge, die eine Figur dann später äußert. Das sind jedoch keine Spoiler, sondern stimmen den Zuschauer bloß auf das Kommende ein. Außerdem wird selbst das Titellied „Way down in the Hole“ des Vorspanns der speziellen Stimmung jeder Staffel angepasst. So ist der Text immer der gleiche, aber die Komposition ist von Staffel zu Staffel eine andere.
Die Drehbücher zur Serie stammen von David Simon und Ed Burns, die beide intensiv recherchiert haben, bevor sie mit dem Verfassen begannen. Burns arbeitete übrigens 20 Jahre lang als Polizist beim Baltimore Police Department – abermals kein Wunder, dass die Authentizität der Serie dermaßen hoch ist.
The Wire zieht den Zuschauer mit Realismus und starken Charaktere in ihren Bann. Dazu benötigt sie keine großen Explosionen oder ein durchgestyltes Aussehen – im Gegenteil würde das die Authentizität verringern. Der Zuschauer wird in eine Welt gezogen, die spannungsreich, gefährlich, packend, traurig, tragisch, aber teilweise auch humorvoll ist. Jeder Fan von wirklichkeitsgetreuen Cop-Serien und vielschichtigen Figuren und Stories, sollte keine weitere Zeit verlieren und sich umgehend The Wire anschauen!