Unschuldig ins Gefängnis? Unvorstellbar, doch trotzdem Realität. When They See Us erzählt die wahre und tragische Geschichte der sogenannten ‘Central Park Five’. Im Folgenden erfahrt Ihr weshalb Ihr diese Miniserie sehen müsst.
Handlung:
Es ist der 19. April 1989 in New York City. Eine weiße Joggerin, Trisha Meili, wird am späten Abend im Central Park brutal vergewaltigt und zusammengeschlagen. Aufgrund der Grausamkeit des Vergehens setzen Polizei und Stastaanwaltschaft alles daran den oder die Täter schnell ausfindig zu machen, denn der öffentliche Druck ist enorm.
Zur Tatzeit befindet sich eine Gruppe Jugendlicher im Central Park. Die Gruppe besteht aus etwa dreißig, hauptäschlich schwarzen, Teenies, die harmlosen Unfug treiben, wie etwa Passanten und Fahrradfahrer zu beleidigen. Die Polizei kriegt fünf Teenager dieser Gruppe zu fassen: Die 14- bis 16-Jährigen Jungs Antron McCray (jung: Caleel Harris/erwachsen: Jovan Adepo), Kevin Richardson (Asante Blackk/Justin Cunningham), Yusef Salaam (Ethan Herisse/Chris Chalk), Raymond Santana (Marquis Rodriguez/Freddy Miyares) und Korey Wise (Jharrel Jerome) wurden festgenommen und so lange drangsaliert bis es zu falschen Geständnissen kam. Die fünf unschuldigen Kinder wurden zu einer Gang hochstilisiert und verurteilt.
When They See Us — Wenn das “Rechtssystem” versagt…
Fälle wie der der “Central Park Five” sind ein Beweis dafür, dass das US-amerikanische Rechtssystem (oben ganz bewusst in Anführungszeichen gesetzt) von Grund auf problematisch ist. Denn mit Recht und Ordnung hat es kaum etwas zu tun. Im vorliegenden Fall hat das sogenannte Rechtssystem auf der ganzen Linie versagt. Wie Regisseurin Ava DuVernay (“Selma”, “Der 13te”) in einem Interview postuliert, geht es jedoch über ein bloßes Versagen der Rechtssprechung hinaus. Das gesamte System ist so angelegt, dass es unterdrückt und dadurch einige Menschen davon profitieren, während andere darunter leiden. Hinzu kommt, dass Staatsanwälte und Richter gewählt werden, wodurch Politik und Rechtsordnung vermengt werden. Dementsprechend verfolgen die Juristen in erster Instanz stets eine eigene Agenda.
Aufgrund dieses irrsinnigen Rechtssystems kommt es leider zu Verurteilungen von Unschuldigen. When They See Us erzählt die Geschichte von Antron, Kevin, Yusef, Korey und Raymond, vier schwarze und ein hispanischer Teenager, die jeweils sechs bis dreizehn Jahre ihres Lebens unschuldig im Gefängnis verbringen mussten. Ava DuVernay inszeniert die aus vier Folgen bestehende Serie äußerst prägnant.
…und die Staatsgewalt macht was sie will
Bereits die erste Folge befasst sich mit den haarsträubenden Verhören, denen sich die Jugendlichen unterziehen mussten. Stundenlange Vernehmungen in Abwesenheit eines Vormunds oder Rechtsbeistandes, bei denen die verängstigten und überforderten Teenager massiv unter Druck gesetzt, erpresst und sogar geschlagen wurden. Illegale Methoden der Polizei, die jedoch zu widerwilligen Geständnissen geführt haben, in denen sich die Teens gegenseitig beschuldigt haben, obwohl sie sich garnicht kannten. Die Videobänder der “Geständnisse” wurden tatsächlich vor Gericht zugelassen. Das kam den Staatsanwältinnen, Elisabeth Lederer und Linda Fairstein, zu Gute, denn Beweise hatten sie keine. Wirklich nichts passte: DNA, Haarproben und Fuß — und Fingerabdrücke stimmten mit keinem der Angeklagten überein.
Der Zuschauer kann kaum fassen was er da sieht. Anlässlich der schieren Absurdität der Verhöre und den darauffolgenden Verurteilungen könnte man fast meinen eine Fantasyserie zu schauen, jedoch handelt es sich um die traurige Wahrheit. DuVernay zeigt unmissverständlich wie sehr das US-amerikanische Justizsystem von Rassismus und Ungerechtigkeit geprägt ist. Vor dem Gesetz sind alle gleich — eine nette Theorie.
When They See Us — Wirkungsvoll inszeniert
Ava DuVernay schafft es diesen schwierigen Stoff zu gleichem Maße emotional und wirkungsvoll in Szene zu setzen. Und das gelingt ihr ohne die Verwendung von Pathos, denn die Ungerechtigkeit spricht hier für sich selbst. Da die Serie nur aus vier Episoden besteht, enthält sie einige Zeitsprünge. DuVernay hat sich daher auf bestimmte Aspekte der umfangreichen Geschichte fokussiert.
So wird der Zuschauer zunächst Zeuge der gesetzeswidrigen Vernehmungen und empörenden Verurteilungen. Doch sie beleuchtet auch die einzelnen Geschichten der Jungs, aus welchem Umfeld sie kommen und wie es ihnen während und nach der Inhaftierung ergangen ist. Außerdem zeigt sie inwiefern sich all das auf die Angehörigen ausgewirkt hat. Denn die Schuldsprechungen haben nicht nur den Teeangern diverse Jahre ihres Lebens geraubt, sondern auch Familien zerstört.
Nebenbei wird zudem sehr eindringlich US-Präsident Trumps Involvierung dargelegt: 1989 war Donald Trump noch kein Politiker sondern nur ein Immobilien-Tycoon. Er hat bezüglich der “Central Park Five” gefordert die Todesstrafe im Staat New York wieder einzuführen. Er hat sogar Unmengen an Geld ausgegeben um damit Werbung zu machen. Darüber hinaus hält Trump bis heute daran fest, dass die fünf Jugendlichen schuldig sind, obwohl ihre Unschuld längst bewiesen ist. Ein kaputtes Rechtssystem und ein hasserfüllter, grenzdebiler Präsident — die Bürger der USA können einem wirklich leidtun.
All diese Tatsachen verknüpft DuVernay auf ausdrucksstarke Weise. Die meisterhafte Inszenierung wird durch die unfassbar guten Leistungen der Darsteller bekräftigt. Caleel Harris, Asante Blackk, Ethan Herisse, Marquis Rodriguez und Jharrel Jerome, die Darsteller der Kinder, liefern eine derart herzzerreißende Performance, dass sicherlich kein Auge trocken bleibt. Besonderen Tribut muss Jharrel Jerome gezollt werden, der Korey Wise sowohl als Jugendlicher als auch als Erwachsenen spielt. Ihm ist es gelungen sich dermaßen zu transformieren, dass der Zuschauer erst nicht bemerkt, dass es sich noch um den gleichen Schauspieler handelt. Außerdem widmet Duvernay Korey eine ganze Folge, da er der einzige war, der nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurde und direkt im Hochsicherheitstrakt gelandet ist.
Fazit:
When They See Us ist eine unglaublich gute Serie, die die in den USA vorherrschende Ungerechtigkeit und das von Rassismus und Diskrimierung durchzogene “Rechtssystem” anprangert. Wenn man einen Blick auf die aktuelle Polizei-Brutalität in den Vereinigten Staaten von Amerika wirft, dann ist klar wie wichtig es ist an die Geschichte der fünf Jugendlichen zu erinnern — dementsprechend wichtig ist es auch sich diese gelungene Serie anzuschauen.
When They See Us ist bei Netflix verfügbar!