Film­kri­tik: Begabt — Die Glei­chung eines Lebens

Die Tra­gi­ko­mö­die Begabt — Die Glei­chung eines Lebens war in den USA ein vol­ler Erfolg. Das Dra­ma um die hoch­be­gab­te Mary ver­zau­ber­te die Zuschau­er. In Deutsch­land star­tet der Film am 13. 07.2017 und ob sich ein Kino­be­such lohnt erfahrt Ihr im Folgenden.

Die klei­ne Mary bei einem Strand­be­such mit ihrem Onkel.
© 20th Cen­tu­ry Fox

Hand­lung:

Frank Adler (Chris Evans “Cap­tain Ame­ri­ca: The First Aven­ger”) hat die Vater­rol­le für sei­ne auf­ge­weck­te Nich­te Mary (McKen­na Grace “Inde­pen­dence Day: Wie­der­kehr”) über­nom­men und lebt mit ihr in einem klei­nen Ort in Flo­ri­da. Mary ist hoch­be­gabt, doch Frank setzt alles dar­an, ihr ein nor­ma­les Leben zu ermög­li­chen. Den­noch bleibt das mathe­ma­ti­sche Talent der Sie­ben­jäh­ri­gen nicht unbe­merkt, und so taucht eines Tages Franks her­ri­sche und ehr­gei­zi­ge Mut­ter Eve­lyn (Lind­say Dun­can “Bird­man”) auf. Die Plä­ne der wohl­ha­ben­den Groß­mutter für ihre Enke­lin dro­hen Frank und Mary aus­ein­an­der zu rei­ßen. Als die fami­liä­ren Span­nun­gen zuneh­men, bekom­men Onkel und Nich­te jedoch Unter­stüt­zung von ihrer reso­lu­ten Ver­mie­te­rin und bes­ten Freun­din Rober­ta (Octa­via Spen­cer “Hid­den Figu­res”) — und von Marys Leh­re­rin Bon­nie (Jen­ny Sla­te “House of Lies”), die Marys Hoch­be­ga­bung ent­deckt hatte…

 

Von Comic­ver­fil­mun­gen zum emo­tio­na­len Dra­ma — klappt das?

Bei Begabt über­nahm Marc Webb die Regie. Webb ist vor allem durch sei­ne Insze­nie­rung der Fil­me “The Ama­zing Spider-Man” und “The Ama­zing Spider-Man 2: Rise of Elec­t­ro” bekannt. Und auch Haupt­dar­stel­ler Chris Evans ist zum einen als Human Torch in den ‘Fan­ta­stic Four’-Filmen und zum ande­ren mit sei­ner Rol­le des Cap­tain Ame­ri­ca, sowohl in Solo-Filmen als auch bei den Aven­gers, fest im Comic-Genre ver­an­kert. Für Begabt tref­fen die­se Comic-Exerperten zusam­men, um ein emo­ti­ons­ge­la­de­nes Dra­ma zu keie­ren — und das funk­tio­niert; bis zu einem gewis­sen Grad. Es ist auch nicht Webbs ers­ter gefühl­vol­ler Indie-Film: Mit “(500) Days of Sum­mer” schuf er bereits vor den Spidey-Filmen eine bezau­bern­de Boy-meets-Girl-Geschichte.

Mary ist in der Lage kom­pli­zier­te mathe­ma­ti­sche Pro­ble­me bin­nen Minu­ten zu lösen.
© 20th Cen­tu­ry Fox

Marc Webb und Dreh­buch­au­tor Tom Flynn gelingt es die Geschich­te der hoch­be­gab­ten Mary auf eine herz­er­grei­fen­de und trotz­dem humo­ris­ti­sche Wei­se zu erzäh­len. Aller­dings bleibt die Sto­ry recht ober­fläch­lich, so dass es kaum schwer fällt den Ver­lauf und Aus­gang des ent­fa­chen­den Sor­ge­rechts­streits zu erah­nen. Außer­dem sind die Figu­ren und deren Kon­stel­la­ti­on zu grob ver­ein­facht: So sieht der Zuschau­er auf der einen Sei­ten Frank, der für sei­ne Nich­te ein gewöh­li­ches Leben will, da er unbe­dingt ver­hin­dern will, dass die Hoch­be­ga­bung die glei­chen psy­chi­schen Pro­ble­me her­vor­ruft wie damals bei sei­ner Schwes­ter (Marys Mut­ter). Auf der ande­ren Sei­te steht Eve­lyn, die ihre Enke­lin um jeden Preis för­dern will, um ihr vol­les Poten­zi­al aus­zu­schöp­fen. Der Film hät­te sicher­lich Raum für eine dif­fe­ren­zier­te­re Erzähl­wei­se gehabt, die über die­se Schwarz-Weiß-Gegebenheit hin­aus geht. Zumal die Fra­ge wie Mary sich ihre Zukunft vor­stellt kaum auf­ge­wor­fen wird. 

Der Umgang mit Hoch­be­gab­ten ist kei­ne leich­te Auf­ga­be: För­dert man sie zu wenig, dann besteht die Gefahr, dass sie auf­grund von Lan­ge­wei­le aggres­siv wer­den — Mary ist im Mathe-Unterricht (ihrer ’nor­ma­len’ Schu­le) sicht­lich von den ‘3+3’-Aufgaben auf quä­len­de Wei­se ange­ödet. Wird die Hoch­be­ga­bung hin­ge­gen an ent­spre­chen­den Schu­len geför­dert, so läuft das Kind Gefahr sei­ne Kind­heit mit den dazu­ge­hö­ri­gen sozia­len Kon­tak­ten und Ereig­nis­sen zu ver­lie­ren. Aller­dings scheint es abwe­gig, dass ein hoch­be­gab­tes Kind nicht geför­dert wer­den kann ohne auf eine wohl­be­hü­te­te Kind­heit zu ver­zich­ten. Der Film lässt an die­ser Stel­le jedoch wenig Spiel­raum und es artet zu einer Entweder-Oder-Situation aus. Hier wäre eine nuan­cier­te­re Betrach­tungs­wei­se von Vor­teil gewesen.

Mary und Nach­ba­rin Rober­ta schmet­tern einen Song.
© 20th Cen­tu­ry Fox

Nichts­des­to­trotz trumpft der Film mit gran­dio­sen Schau­spie­lern auf — allen vor­an McKen­na Grace. Die Dar­stel­le­rin der klei­nen Mary ist ein wah­rer Wir­bel­wind. Sie über­zeugt mit ihrer Dar­bie­tung des hoch­be­gab­ten Frech­dachs’ und spielt sich im Nu in die Her­zen der Zuschau­er. Jede Sze­ne in der Mary die Erwach­se­nen ver­blüfft oder belehrt, ist eine Freu­de. Auch Chris Evans’ Dar­stel­lung des für­sorg­li­chen Zieh­va­ters ist erst­klas­sig und gefühl­voll. Außer­dem stimmt zwi­schen Evans und Grace die Che­mie: Die lie­be­vo­le Bezie­hung zwi­schen Onkel und Nich­te wirkt abso­lut authen­tisch. Octa­via Spen­cer tritt als müt­ter­li­che Nachbarin/Vermieterin namens Rober­ta auf, der unwahr­schein­lich viel an der klei­nen Mary liegt. Wie es dazu kam bzw. in wel­cher Bezie­hung Rober­ta mit Frank und Mary genau ste­hen, bleibt jedoch unklar. Auch wenn eine Hin­ter­grund­ge­schich­te von Rober­ta wün­schens­wert gewe­sen wäre, tut es Spen­cers schau­spie­le­ri­schem Input kei­nen Abbruch. 

Eve­lyn tut alles um ihre Enke­lin zu för­dern.
© 20th Cen­tu­ry Fox

Fazit:

Begabt — Die Glei­chung eines Lebens ist ein beseelt insze­nier­ter Film, der sich mit der Fra­ge beschäf­tigt ob Hoch­be­ga­bung ein Segen oder ein Fluch ist. Lei­der schafft der Film es aber nicht jene Fra­ge auf dif­fe­ren­zier­te Art zu beant­wor­ten. Zudem sind die Figu­ren zu ste­reo­typ ange­legt, so dass Eve­lyn bspw. zur gefühls­kal­ten Ant­ago­nis­ten auf­ge­bauscht wird, ohne ihre Moti­va­ti­on hin­rei­chend zu beleuch­ten. Die schau­spie­le­ri­schen Leis­tun­gen sind zwar bemer­kens­wert, jedoch hät­te eine gehalt­vol­le­re Sto­ry ihnen mehr Kraft ver­lei­hen kön­nen. Dafür setzt der Film in den rich­ti­gen Momen­ten Emo­tio­nen ein, um die­se wie­der­um beim Zuschau­er her­vor­zu­ru­fen. Alles in allem ist Begabt ein herz­er­grei­fen­der Film, der sich mit ein wenig mehr Tief­gang der The­ma­tik auf wür­de­vol­le­re Wei­se hät­te nähern können.

 

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